Erste urkundliche Erwähnung einer Feuerwehr in Nierstein
Am 14. August 1791 brach im hessischen Geinsheim ein größeres Feuer aus, zu dessen Bekämpfung, so berichtet eine Festschrift der Freiwilligen Feuerwehr Geinsheim aus dem Jahr 1976, auch Feuerwehrleute aus Nierstein und Oppenheim anrückten. Konkret ist die Rede von „Niersteiner Fuhrleuten, die eine Spritze gebracht haben“. Belegt ist dieser Einsatz durch die Rechnung der Wirtin eines Wirtshauses, in das die durstigen Feuerwehrleute offenbar nach diesem Einsatz einkehrten. Diese Rechnung ist das älteste Dokument, das auf die Existenz einer Feuerwehr in Nierstein schließen lässt.
Erstes Namens- und Inventarverzeichnis
Die damals Großherzogliche Bürgermeisterei Nierstein überarbeitete am 27. Dezember 1829 die bisherige „Feuerordnung“ Niersteins. Im Rahmen dieser Neuordnung wurde zum einen ein Namensverzeichnis „der Angestellten bei den Feuerlöschanstalten zu Nierstein“ eingeführt. Zum anderen wurde eine Inventarliste erstellt, aus der hervorging, dass dieser Vorläufer der späteren Freiwilligen Feuerwehr Nierstein über eine vierrädrige Spritze verfügte, die von Pferden gezogen wurde. Ob es sich dabei um die Spritze handelt, die auch schon 1791 zum Einsatz kam, ist unklar.
Die Feuerwehrleute in Nierstein arbeiten auf freiwilliger Basis
Am 16. Februar 1875 gab sich der damalige Vorläufer der Niersteiner Feuerwehr eine neue Dienstordnung. In dieser ist zum ersten Mal die Rede davon, dass die Mitglieder ihren Dienst auf freiwilliger Basis versehen. 68 Mitglieder zählte die Feuerwehr zum damaligen Zeitpunkt. Außerdem legte die Dienstordnung erstmals fest, dass die sogenannte „Oberleitung“ im Einsatzfall nicht mehr beim Bürgermeister, sondern beim Kommandanten der Feuerwehr lag.
Niersteiner Feuerwehr in der Krise
Im November 1886 herrschte Verwirrung im Kreisamt, das damals als übergeordnete Behörde für Nierstein zuständig war: Ganz offensichtlich wusste niemand, ob in Nierstein gerade eine Feuerwehr existierte oder nicht. Ein intensiver Schriftwechsel mit der Niersteiner Bürgermeisterei brachte Aufklärung: Ganz offensichtlich reichte die Zahl der Freiwilligen nicht aus, um daraus eine schlagkräftige Feuerwehr zu bilden, weshalb die Gründung einer Pflichtfeuerwehr in Erwägung gezogen wurde. Dieser Schritt wurde letztendlich aber nicht in die Tat umgesetzt, weshalb in Nierstein über mehrere Jahre hinweg zwar Material und Ausrüstung vorhanden waren, mangels Personal aber de facto keine Feuerwehr existierte.
Gründung der Freiwilligen Feuerwehr Nierstein
Im Frühjahr 1893 starteten die zuständigen Behörden eine neue Initiative, um der im Dornröschenschlaf liegenden Niersteiner Feuerwehr neues Leben einzuhauchen. Die Initiative hierzu ging von der damaligen Kreisverwaltung aus, dessen erster Beigeordneter der Niersteiner Bürgermeisterei für den 6. Juni eine Veranstaltung zur Gründung einer Freiwilligen Feuerwehr in Nierstein ankündigte. Die Gründungsversammlung fand statt – seit diesem Tag existiert in Nierstein ohne Unterbrechung eine Feuerwehr. Zu Beginn bestand die neue Feuerwehr noch zur Hälfte aus einer Freiwilligen- und zur Hälfte aus einer Pflichtfeuerwehr. Allerdings fanden sich rasch genug Freiwillige, dass auf den Pflichtteil verzichtet werden konnte.
Neue Organisationsstruktur
Im Jahr nach der Neugründung verlieh sich die Niersteiner Feuerwehr eine neue Organisationsstruktur. Zum damaligen Zeitpunkt bestand die Wehr aus dem Kommandanten und seinem Stellvertreter; dem Zeugwart und den Adjutanten; den Signalisten, deren genaue Zahl nicht aufgeführt wurde; der Steigerabtheilung, die aus einem Führer, einem Stellvertreter und 36 Mann bestand; der Hydrantenabteilung, die aus zwei ,,Sectionen“ mit je einem Führer, einem Stellvertreter und sechs Mann bestand sowie der Spritzenmannschaft, die sich auf Spritze I mit Führer, Stellvertreter und 16 Mann und Spritze III mit Führer, Stellvertreter und drei Mann aufteilte. Innerhalb kürzester Zeit hatte die Niersteiner Feuerwehr, die wenige Jahre zuvor mangels Mitgliedern nicht existent war, einen enormen Personalzulauf verzeichnet. Zum ersten Kommandanten wurde Ludwig Reichardt ernannt.
Erster Weltkrieg führt zu Personalmangel in der Feuerwehr
Im Jahr 1916 wurden die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs, der zu diesem Zeitpunkt bereits seit zwei Jahren tobte, auch in der Niersteiner Feuerwehr deutlich spürbar. Der durch zahlreiche Einberufungen zum Wehrdienst bedingte Personalmangel führte dazu, dass das zuständige Oppenheimer Kreisamt vehement die „Heranziehung jüngerer und erforderlichenfalls auch älterer Jahrgänge“ forderte, um den Schutz der Bevölkerung weiter gewährleisten zu können. Auf die Mitgliederzahl der Niersteiner Feuerwehr hatte der Erste Weltkrieg äußerst schmerzliche Auswirkungen: Laut dem Protokollbuch eines Wehrmitglieds wurden 68 Niersteiner Feuerwehrleute zum Wehrdienst eingezogen. Davon waren am Ende zehn Mann gefallen, zwei weitere an erlittenen Verletzungen gestorben. Zwanzig Niersteiner Feuerwehrleute wurden verwundet, elf weitere gerieten in Gefangenschaft.
Inflation und steigende Mitgliederzahlen
Wie in der gesamten jungen Weimarer Republik griff auch in Nierstein die Inflation um sich, was auch die Feuerwehr zu spüren bekam. So erhielten die Wehrleute von einem dankbaren Niersteiner Bürger, dem die Einsatzkräfte bei einem Großbrand zu Hilfe geeilt waren, „für ihr tatkräftiges Eingreifen“ einen Betrag in Höhe von zwei Millionen Mark überreicht. Auch bei den Mitgliederzahlen jagte zu dieser Zeit ein Rekord den nächsten. 1925 zählte die Niersteiner Feuerwehr 118 Mitglieder – hinzu kamen Hilfsmannschaften, die noch einmal 173 Mann umfassten. Neben den klassischen Lösch- und Rettungseinheiten verfügte die Niersteiner Feuerwehr zum damaligen Zeitpunkt auch über eine Musik- und eine Sanitätsabteilung.
Feuerwehr verfügt erstmals über motorisierte Technik
In diesem Jahr erhielt die Niersteiner Feuerwehr ihre erste motorisierte Löschspritze. Damit hatte die moderne Technik im Niersteiner Feuerwehrwesen Einzug gehalten.
Erneuter Personalmangel im Zweiten Weltkrieg
Nachdem sie wenige Jahre zuvor noch 168 Mitglieder zählte, hatte die Niersteiner Feuerwehr nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs durch zahlreiche Einberufungen erneut mit starkem Personalmangel zu kämpfen, dem die Verantwortlichen wie während des vorangegangenen Krieges durch die Heranziehung von sehr alten und sehr jungen Jahrgängen zu begegnen versuchten. Auch Frauen waren ab 1943 erstmals in der Feuerwehr Nierstein aktiv. Ab 1941 versuchte das NS-Regime dem Personalmangel bei den Feuerwehren mit der Gründung von „HJ-Feuerwehren“ zu begegnen, die auch in Nierstein eingerichtet wurden. Die Fahrzeuge der „HJ-Feuerwehr“ wurden größtenteils von Minderjährigen besetzt, lediglich Fahrer und Gruppenführer waren Angehörige der regulären aktiven Feuerwehr. Allerdings waren viele junge Mitglieder mit der Handhabung der Gerätschaften, die bis zu 300 Kilogramm auf die Waage brachten, schlicht überfordert.
Extremer Ausrüstungsmangel nach dem Zweiten Weltkrieg
Da die Nationalsozialisten im Zuge des Krieges alle drei Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr Nierstein auf die andere Rheinseite „evakuieren“ ließen, wo sie zunächst verschollen waren (nur eines davon konnte später wiedergefunden werden, es befindet sich bis heute im Besitz des Löschzugs Schwabsburg). Somit verfügte die Feuerwehr Nierstein nach Kriegsende lediglich über eine mechanische Leiter und einige Hydrantenwagen. Auch die übrige Ausrüstung, etwa Schläuche, waren nach der starken Beanspruchung der Vorjahre in einem ausgesprochen schlechten Zustand.
Feuerwehr Nierstein wird Stützpunktfeuerwehr
Um das Jahr 1960 wurde der Feuerwehr Nierstein die Funktion einer Stützpunktfeuerwehr übertragen. Damit waren die Niersteiner Wehrleute nicht mehr nur für Brandbekämpfung, sondern auch für technische Hilfeleistung, etwa bei Verkehrsunfällen, und für Wasserrettung in einem Bereich zwischen Mainz-Laubenheim und Worms-Rheindürkheim zuständig. Der Bereich Wasserrettung wurde im Jahr 1985 an die Feuerwehr Oppenheim abgegeben.
Erstmals Niersteiner Frauen im regulären Feuerwehrdienst
Gerade tagsüber hatte die Niersteiner Feuerwehr immer wieder mit Personalengpässen zu kämpfen. Aus diesem Grund wurde am 27. Juni die Aufnahme von weiblichen Kräften in die Feuerwehr empfohlen. Im Jahr 1978 war es soweit: Sieben Frauen traten ihren Dienst in der einstigen Männerdomäne Feuerwehr an. Zunächst wurden sie vor allem für leichtere Tätigkeiten, etwa den Funkdienst, eingesetzt. Seit vielen Jahren bereits wird bei der Verteilung von Aufgaben in der Feuerwehr allerdings nicht mehr zwischen Geschlechtern unterschieden.
Gründung der Niersteiner Jugendfeuerwehr
Nachdem einige Niersteiner Kinder den Wunsch nach einer Jugendfeuerwehr an die Wehrleute herangetragen hatten, wurde diese am 4. September offiziell mit 18 Mitgliedern gegründet. Bis heute erfüllt die Jugendfeuerwehr eine enorm wichtige Aufgabe innerhalb der Wehr, da ein großer Teil der Aktiven über die Jugendfeuerwehr zu den Brandschützern gestoßen ist.